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Leben im Wartemodus



Im Frühling hatte ich eine Heidenangst vor dem Lockdown und der Zeit, die wir als Familie plötzlich “nur” noch miteinander haben würden. Ich fürchtete mich vor täglich zehn Teenager-Meltdowns (und ehrlich gesagt auch ein bißchen vor meinen eigenen…). Ich dachte darüber nach, ob ich Freunde verlieren würde (und wenn ja, welche…). Ich startete den Lockdown hochmotiviert mit einer dreiseitigen Todo-Liste, von der wir mindestens ⅔ gut hinbekamen. Wir machten eine Pizzabackaktion für die Nachbarn und weil es so Spass machte noch mal eine für einen guten Zweck. Ich gab in meinem persönlichen Insta-Kanal Quarantäne-Tipps oder Aktionen durch. Die Zeit ging schnell vorbei, schneller als gedacht.

Und dann kam der Sommer. Ich war eigentlich so drauf, dass ich Corona vergessen wollte und so normal wie möglich weitermachen. In der Vielfalt meiner Kontakte haben wir zwar viel über Corona geredet, aber wir haben recht normal weiter gelebt. Besuch kam und ging, es sah sogar kurz so aus, als ob die Normalität zurück käme.


Und dann kam der Herbst. Eine Corona-Test nach dem anderen. Eine Quarantäne und dann die nächste.

Und ich kämpfte.

Kämpfte mit meiner Motivation.

Kämpfte mit extremen Stimmungsschwankungen.

Kämpfte damit, keine Highlights und Ziele mehr zu haben.

Das Leben war plötzlich so eindimensional geworden.

An den meisten Tagen kämpfte ich damit, überhaupt aus dem Bett zu kommen.


Sämtliche Dinge, die im Frühling funktioniert hatten, funktionierten nicht mehr. Und in dem allen noch das Chaos der US-Wahl, das mich schon das ganze Jahr beschäftigt hat, aber auch dort hingen wir so zwischen den Seilen. Wer ist jetzt Präsident? Noch mal 4 Jahre Chaos und Kopfschütteln oder würde es wieder Tage geben, an denen wir nicht über die USA nachdenken würden?


Vor Quarantäne hatte ich mich in der Arbeitslosigkeit ziemlich gut arrangiert. Ich ging jeden Tag laufen, mehrmals die Woche ins Fitness, hatte eine coole Reduktions-Challenge geplant und der Podcast startete. Parallel dazu mein Karrierecoaching und ja… ich habe angefangen, ein Buch zu schreiben. Ich hatte eine gute Menschen/Alleine-Ballance und diese einfach nur gigantischen Frauenabende… Das alles hat Spass gemacht. Dann kam der Quarantäne-Vollstopp.


Und ich gebe es zu… ich kann mich nicht mehr motivieren. Weder zum Sortieren, Aufräumen, Neugestalten - sonst immer Topp-Motivatoren für mich. Aber auch nicht für neue Kirch-Projekte. Eigentlich, wenn ich ganz ehrlich bin schaue ich zuviel Fernsehen, esse zuviel und bewege mich zu wenig. Ich habe mir eine Tageslicht-Lampe gekauft, aber ich könnte an ⅔ der Tagen einfach so in Tränen ausbrechen. Meine Familie erlebt mich als schwankend - und zwar ohne Grund.


Bis ich im Internet auf folgende Diagnose gestoßen bin:

“Dieses Gefühl, überwältigt zu sein, dass sie momentan oft haben?

Das sind Stresssymptome, keine persönlichen Fehler.


Fühlen Sie sich sprunghaft und unbeständig?

Das liegt daran, dass Ihr Gehirn nicht weiß, auf welche Neuigkeiten es sich als Nächstes einstellen soll oder was der nächste Monat bringen wird.


Schnell ermüdet?

Das liegt daran, dass Ihr Gehirn Ihre Energie zehnmal schneller als gewöhnlich verbrennt.


Es fällt ihnen schwer, sich zu konzentrieren?

Das liegt daran, dass Ihr Gehirn einige Funktionen in Ihrem präfrontalen Kortex - dem Teil, der komplexe Aufgaben und Planungen miteinander in Einklang bringt - aufgrund der Stressreaktion vorübergehend abgeschaltet hat.


Fühlen Sie sich kreativ blockiert?

Das liegt daran, dass Ihr Gehirn vorübergehend seine gesamte Kreativität (auch als Fähigkeit zur Lösung neuartiger Probleme bekannt) auf "Wie vermeide ich das Sterben?" umgeleitet hat, während es sich in einem verengten, langsam brennenden „Kampf oder Flucht“-Zustand befindet.


Schaffen Sie es einfach nicht mehr, sich wie früher Gedanken über zukunftsorientierte Ziele, Projekte oder Träume zu machen?

Das liegt daran, dass Ihr Gehirn weiß, dass es im Moment sicherer ist, kurzsichtig zu sein.


Ihre Pläne, Kreativität, Energie, Konzentration und Motivation befindet sich im Moment in einem YoYo-Effekt, weil Ihr Gehirn glaubt, dass Sie extrem anpassungsfähig sein müssen.

Sie werden nicht für immer auf dieser Achterbahn bleiben. Seien Sie geduldig mit Ihrem Gehirn.


Mit freundlichen Grüßen, ein positiv-psychologisch zertifizierter Coach und Mitmensch

Alexis Rockley"


Diese kleine Sequenz auf Instagram und das zugehörige Video von Coach Alexis hat mich so sehr getroffen. Das Problem liegt außen, nicht in mir selbst. Ich habe mich in den letzten Wochen so oft gefragt, was mit mir los sei. Die Antwort: Das! Die Pandemie! Die Einschränkung von Außen! Die Ungewissheit!

Es gibt kein Problem in mir drin, das jetzt offenkundig wird - nein, mein Gehirn schafft einfach Dinge nicht, weil das Leben im Moment ALLES fordert.


Deswegen, meine lieben Mitmenschen, wenn wir jetzt wieder die Kontakte noch weiter beschränken müssen und uns das Lebenselixier Gemeinschaft fehlt und wir das Gefühl haben, durchzudrehen:

Es ist ok, ganz viel zu schlafen.

Es ist ok, im Moment nicht mehr zu schaffen als Arbeit und Familie.

Es ist ok, mehr fern zu sehen oder zu essen, wie wir das normalerweise machen (aber es tut uns eigentlich gut, uns zu bewegen, deswegen sollten wir das auch tun - wenn es Freude und Energie bringt…)

Es ist ok, jetzt keine Pläne für die Zukunft zu schmieden.

Es ist ok, nichts Besonderes oder sogar wirklich NICHTS zu leisten.


Im Moment geht es um Überleben.


Im Moment geht es darum, uns etwas Gutes zu tun, weil das, was gerade passiert alles kostet.


Also: neuen Jogginganzug bestellen, der gut aussieht und bequem ist. Backen/Malen/Baden/Tanzen/Worshippen/Abrocken - all das, was du magst und dir gut tut.


Und ansonsten… warten, bis der Sch… vorbei ist, weil dann… wirst du dich auch wieder besser fühlen. Und ich mich auch.



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