Transkripte
Wir werden in Zukunft Transkripte von den Folgen zur Verfügung stellen. Das hilft, Dinge schneller wieder zu finden.
Transkript Stolpersteine 2: Essstörungen
Simea
Hallo und herzlich willkommen zu einer neuen Folge von Frauthentisch. Wir sind mitten in der Reihe Stolpersteine. Ich freue mich sehr, dass ich heute die Rebecca hier bei mir im Online-Studio zugeschaltet habe und dass wir über das Thema Essstörung unterhalten. Hallo Rebecca.
Rebekka
Hallo!
Simea
Möchtest du kurz mal ein bisschen was zu deiner Person erzählen? Wie alt bist du? Was bist du von Beruf? Was machst du so im Leben gerade? Was vielleicht dein geistliches Umfeld, in dem du dich bewegst?
Rebekka
Ja, kann ich gerne machen. Also ich bin 35, bin von Beruf Sozialpädagogin, arbeite in einem Seniorenheim. Das ist ziemlich cool, mit alten Menschen zu arbeiten. Freiberuflich bin ich kreativ unterwegs und als Autorin hab gerade mein zweites Buch fertig geschrieben, schreib immer mal wieder Artikel für Zeitschriften wie die Joyce zum Beispiel und bin da irgendwie sehr vielseitig unterwegs.
Ich liebe Zeit mit Freunden, Bücher und guten Kaffee. Ja, mein so geistlicher Hintergrund. Also ich bin so ein typisches Gemeindekind, würde ich sagen. Bin ganz, freikirchlich, ja fromm, eher konservativ, aufgewachsen. Und gehöre seit... Ach, ich weiß nicht, mittlerweile vielleicht mal ein halbes Leben. Irgendwann hört man auf zu rechnen. Ich verlier den Überblick - gehöre ich zu einer Freikirche, die so in den pfingstlerischen Bereich gehört. Genau, fühle mich da sehr wohl und bin da aktiv unterwegs, würde ich sagen. Beantwortet das deine Frage?
Simea
Ja, doch. Ich glaube, da können sich die Frauen da draußen ein bisschen was drunter vorstellen. Jetzt ist es ja so ganz spannend, du bist selber eine Podcasterin. Das habe ich nicht so häufig, dass ich hier Frauen zu Gast habe, die sich voll mit der Materie auskennen. Genau, möchtest du da mal kurz was dazu sagen oder wo hast du gepodcastet, wo podcastest du in Zukunft und warum machst du es gerne? Das finde ich auch immer spannend.
Es gibt zu wenig weibliche Frau-, äh, Podcasterinnen, finde ich, und deswegen müssen wir ein bisschen Werbung machen.
Rebekka
Okay, ich geb mir Mühe. Also ich hab damals einen, oder damals, wir haben vor drei Jahren, dass es eher so passiert. Ich hatte mit der Katja Zimmermann, die ist auch Autorin und hat ebenfalls wie ich ein Buch für Singles geschrieben oder über das Singlethema. Wir hatten uns getroffen und haben irgendwann aus Scherz, hab ich so gesagt, ja wir können ja mal einen Podcast machen (Beziehungsstatus geliebt). Und dann haben wir so sehr drüber gelacht und zwei Monate später kam der erste Lockdown und wir haben gemerkt, so wie jeder von uns, der plötzlich zu Hause bleiben sollte und wo nicht mehr viel stattfand.
Wie viel weggebrochen ist und wie viele Menschen alleine zu Hause leben und gemerkt haben, da passiert nicht mehr viel. Und dann haben wir gedacht, ja, lass das doch mal ausprobieren. Und haben sehr rudimentär angefangen mit so Zoom-Calls, die wir einfach aufgenommen haben und haben geguckt, wo das hingeht und haben tatsächlich jetzt drei Jahre lang Podcast gemacht zu Themen über Single-Sein, aber auch ganz andere Sachen, dass es irgendwie so passiert und so gewachsen.
Und diesen Sommer, vor ein paar Wochen, haben wir die letzte gemeinsame Folge aufgenommen. Ich habe mich entschieden, dass so meine Zeit in diesem Projekt vorbei ist. Der Podcast heißt Beziehungsstatus geliebt. Katja macht das weiter, interviewt seit ein paar Monaten immer wieder Frauen, die sie auf irgendeine Weise inspirieren. Vor allem Frauen, glaube ich. Es war auch mal ein Ehepaar dabei und so. Aber sie trifft sich viel mit Frauen und unterhält sich mit ihnen über die unterschiedlichsten Themen. Das wird sie auch weitermachen. Und im Moment startet ein neues, eher kleineres Podcastprojekt, was so in sich geschlossen ist, an, was Ilka und ich mit der ich das Buch geschrieben habe, machen werden zum Thema Essstörung. Das wird so ein bisschen begleitend zum Buch sein. Also das wird ein paar Themen vertiefen. Der Podcast wird vielleicht Sachen aufgreifen, die im Buch keinen Platz hatten, weil nun mal Seiten begrenzt sind zwischen so Buchdeckeln.
Wir werden nochmal auf Dinge tiefer eingehen können. Aber das werden wir ein paar Folgen machen und dann wird das Ding, glaube ich, in sich irgendwie einen Rahmen finden.
Ich mag das Format Podcasts. Also ich höre auch selber gerne Podcasts, ganz unterschiedliche Sachen, die mich zum Lachen bringen. Sachen mit bestimmten Themen, Dinge, wo ich was lerne, die mich inspirieren, aber wo ich einfach auch, als so Laberpodcasts höre ich auch, so querbeet. Und ich finde das cool, ein Stück weit in ihrem Alltag vielleicht zuhören zu können oder ein bisschen begleiten zu können, über meinen Tellerrand zu gucken. Und finde, das spannend mich immer wieder mit anderen auch über Sachen auszutauschen. Ich würde keinen Podcast machen, wo ich Folgen alleine mache. Also ich glaube, das würde mir total schwer fallen. So es gibt es ja auch. Und das höre ich auch mal ganz gerne. Aber ich mag so den Austausch von Menschen dabei auch total gerne und finde es oft gewinnbringend, egal in welche Richtung.
Simea
Ja, voll, geht mir auch so.
Also, wenn du da draußen denkst, du hast eigentlich ein cooles Wissen über irgendein Thema und vielleicht coole Leute in deinem Umfeld, dann machen wir Werbung, mach einen Podcast!
Rebekka
Ja, es ist echt nich schwer. Du musst nicht viel können. Wirklich, ich kann technisch auch nicht viel. Es funktioniert.
Simea
Was ich jetzt noch spannend fände, so was bist du denn für Typ Mensch, wenn man dich jetzt so in so ein paar Sätzen beschreiben muss? Wie muss man sich dich vorstellen? Bist du introvertiert, extrovertiert? Bist du sehr getrieben oder voll relaxed? Beschreib dich doch mal ein bisschen.
Rebekka
Ich lache gerne und auch laut. Ich bin absolute Überdenkerin, also ich denke viel zu viel und auch sehr schnell. Dabei verirre ich mich manchmal auch oder verwirre mich selber, weil ich so in meinem Kopf, weil es ziemlich, ja, geht schnell. Ich würde sagen, ich bin wortgewandt, begeisterungsfähig, kreativ. Ich bin introvertierter, als man manchmal denkt.
Also ich glaube Menschen, die mich kennenlernen, gerade auf Partys oder so, würden von außen sagen, dass ich extrovertiert bin. Das kann ich auf jeden Fall. Merke aber, ich tank eher auch, wenn ich alleine bin. Und die Gemeinschaft kostet mich immer auch irgendwie was, auch wenn ich es genieße. Von daher bin ich introvertierter, glaube ich, als extrovertiert. Und mag es eher rechts als schlecht. Also mein innerer Monk springt schnell an.
Oder oft zu schnell. Das stresst mich dann selber total oder nervt mich, weil irgendwie mir viele Dinge auffallen, ich super aufmerksam bin und dann Sachen nicht filtern kann und so denke. Manchmal ist es auch schön, wenn Sachen an einem so vorbeigleiten und man das nicht alles so mitkriegt und sich über tausend Dinge im Kopf macht. Ich übe.
Simea
Da kann ich mich sehr gut wiederfinden, genau. Mut zur Lücke, gell?
Jetzt ist es megacool, dass du gerade bei so einem Thema, das ja echt auch Scham belastet und so ein bisschen ein peinliches Thema ist für viele Leute, dass du jetzt gesagt hast, du würdest dazu was sagen. Du hast zwar gesagt, eigentlich möchte ich ja gar nicht die Botschafterin für dieses Thema werden, aber du hast jetzt Buch zu dem Thema Essstörung geschrieben. Möchtest du uns mal einen Abriss geben über deine Geschichte mit Essstörung.
Rebekka
Vorneweg zu diesem, ich will keine Botschafterin sein, also mir ist schon klar, das passiert jetzt. Also zwangsläufig, wenn man damit an die Öffentlichkeit geht, natürlich passiert das. Ich bin total dankbar, dass es schon Menschen gibt, auch bei Instagram oder online, die über Dinge reden, egal ob es dieses Thema ist oder andere Themen sind, die ja irgendwie ans Licht müssen oder wo Leute zu wenig drüber reden. Und ich würde sagen, da reiche ich mich jetzt einfach irgendwie ein.
Simea
Hahaha!
Rebekka
Meine Geschichte damit hat angefangen, als ich 13 war. Als ich 13 war, hab ich angefangen, Essen zu erbrechen. Ich hab damals viel Druck in meinem Umfeld erlebt und hab, glaub ich, angefangen... Es war wie so ein Reflex, ich hab nicht drüber nachgedacht, dass das irgendwie passiert, weil ich Angst hatte, dass mit jeder Mahlzeit, die ich zu mir nehme, irgendwie ich immer weiter davon wegkomme, Gewicht verlieren zu können.
Und hatte das Gefühl, ich muss irgendwie gegensteuern. Und das war so der Gedanke dahinter. Und dadurch bin ich ziemlich schnell in so einen Teufelskreis geraten, wo ich irgendwann mehrmals am Tag Essen erbrochen habe. Zum einen, weil mir das Essen Angst gemacht hat und ich das Gefühl davon in mir irgendwie nicht ertragen habe. Und zum anderen, weil ich zu dem Zeitpunkt keine anderen Werkzeuge hatte, um mit Emotionen oder so herausfordernden Situationen umgehen zu können und mit mit Dingen umzugehen, die ich gefühlt nicht anders überleben konnte. Und damals gab's... Also, ich mein, das ist über 20 Jahre her, ne? Im Internet gab's auch nicht so viele Infos. Damals hat man sich so... eingewählt im Internet zu Hause, keiner konnte in der Zeit telefonieren. Es hat ewig gedauert, bis sich die Seite aufbraucht. Ich weiß, jeder denkt heute, was reden sie da, ne? Aber es gab nicht so viele Seiten und immer wenn du so ich sag mal dieselben Suchbegriffe eingegeben hast du bist immer wieder bei denselben Infos gelandet da kam nicht so täglich Neues zu Und ich habe immer wieder Dinge gesucht weil ich dachte was ist los mit mir? Es muss auch andere geben oder? Wie kommt man da wieder raus oder so und habe nicht so viel gefunden…
Und irgendwann habe ich eine E-Mail erhalten von einem meiner Jugendleiter der mir wie so eine Tür geöffnet hat und gesagt hat, hey, ich weiß, was los ist. Und ich will, dass du weißt, wie wichtig das ist, drüber zu reden. So der Teufel benutzt das krass, um zu zerstören und diese Krankheit zerstört. Und wenn du reden willst, rede. Wenn du schreiben willst, schreib mir. Aber fang an irgendwie darüber zu reden. Und das war so meine Tür nach draußen. Ich hab mir dann therapeutische Hilfe gesucht. Bin in die Klinik gegangen und wurde auch symptomfrei. Ich hab viele Jahre lang so ein paar Mal im Jahr Phasen gehabt, wo ich damit gekämpft hab und immer wieder gestruggelt hab, irgendwie nicht rückfällig zu werden, weil immer wieder der Brechdruck irgendwie aufkam. Und Ende 2018 hab ich gemerkt, das kriegt ein anderes Level irgendwie und hab mir nochmal neu therapeutische Hilfe gesucht, weil ich gedacht hab, das kippt sonst. Und Anfang 2019 gab's so einen Moment.
Das war, als würde Jesus sagen, hey, ich mache mal Licht an, sag mal, was du siehst. Und in dem Moment habe ich erst gecheckt, dass ich schon ein paar Wochen oder Monate Rückfälle hatte und warum auch immer, dass ich das einfach nicht mitgekriegt habe oder sehr gut verdrängen konnte. Und ich würde sagen, nach diesen zwölf symptomfreien Jahren ist es seitdem ein Prozess. Es ist anders als früher. Ich habe schon viel gelernt über mich und auch über diese Krankheit.
Aber es bleibt ein Prozess und so ein Schritt für Schritt Ding.
Simea
Ja, ja voll. Danke. Also ich will kurz noch einhaken, was ich spannend finde, also dieser Jugendleiter, der dich angesprochen hat, warst du da eigentlich vom Gefühl her erleichtert oder warst du erst schockiert, dass der das gecheckt hat oder wie ging es dir da?
Rebekka
Erst, ich habe einen richtigen Herzklavaster gekriegt, als ich das geleben habe, weil ich so gedacht habe, ich habe alles, ich habe jahrelang alles dafür getan, das zu verheimlichen, wie so ein Doppelleben aufzubauen. Nach außen hin mein Leben irgendwie auf die Reihe zu kriegen, zur Schule zu gehen. Ich war in der Jugendgruppe aktiv und habe viel Zeit mit Freunden verbracht und habe immer versucht, das mit der Esstörung irgendwie, ich sag mal, unter einen Hut zu kriegen.
Simea
Ja?
Rebekka
Und zu wissen, es weiß jemand. Also ich glaube, es war beides. Auf der einen Seite dachte ich so, oh nein. Und habe einen kleinen Schock gekriegt. Und auf der anderen Seite wusste ich, das ist meine Chance. So, dass es eine Riesenchance auf dich gewartet hat. Oder so. Oder die mir eine Tür öffnet. Deswegen glaube ich, war es beides.
Simea
Okay. Und da, wo du quasi dann 2019 wieder von Jesus darauf angesprochen wurdest, also da ist ja auch so, wenn ich das höre, denke ich, hey, du hast es nicht gemerkt. Wie muss man sich das vorstellen?
Rebekka
Ich glaube, dass das ganz viel... Ich hatte viele gute Argumente. Also, ich habe viel mit Magen-Schleimhaut- Entzündungen zu kämpfen. Mir war oft schlecht. Ich habe gedacht, ich habe mich übergeben müssen, weil mir war schlecht oder so. Ich habe nicht das damit in Verbindung gebracht, weil ich auch nie diese typischen Essanfälle hatte, sondern auch sehr wenig essen kann. Oder es nicht darum geht, ich habe gerade total viel gegessen und jetzt muss das raus, sondern das kann.. super wenig sein. Es geht eher darum, den Druck loszuwerden. Und deswegen habe ich da Zusammenhänge, glaube ich, gar nicht so schnell gecheckt. Eine Freundin von mir sagte zwischendurch so, meinst du nicht, das könnte irgendwie so sein? Und ich war mal so, nein, das wüsste ich. Und irgendwann dachte ich so, ah ja, gut, das war unangenehm.
Simea
Okay. Ja, ich fand's also spannend, als ich den Aufruf gemacht habe bei Instagram, war es ein bisschen so, dass sich gleich, also in ganz kurzer Zeit, ganz viele Leute zu diesen Themen Selbstverletzung, Mobbing, Essstörung und so weiter gemeldet haben. Also das scheint wirklich ein Thema zu sein. Also das fand ich es nochmal irgendwie wichtig. Wie ist es denn für dich? Jetzt bist du da schon ein bisschen länger damit rausgegangen. Wirst du da sehr oft drauf angesprochen?
Rebekka
Bisher noch nicht. Ich glaube, das wird noch kommen. Also ich glaube, das wird sich jetzt, wenn das Buch rauskommt, ändern. Ich habe bisher ja noch nicht. Also ich habe eine Podcast Folge mit Katja dazu gemacht im Mai 2021. Und danach kamen schon viele Rückmeldungen von Leuten, die sich bedankt haben oder die ihre Geschichte mit mir geteilt haben. Ansonsten mache ich das aber selten öffentlich zum Thema. Ich teile immer mal wieder Posts und Stories, die ich hilfreich finde dazu, damit andere irgendwie sehen, was es für Accounts gibt, die guten Content dazu machen. Ich selber habe immer sehr, sehr abgewägt, mit wem ich was teile und wie viel ich davon erzähle. Ich glaube, das wird jetzt so ein Wechsel werden, dass das mehr wird. Es ist schon immer wieder Thema, auch in persönlichen Gesprächen, dass ich merke, dass das ein Thema ist, genauso wie diese anderen Themen auch, die du aufgezählt hast, die Menschen beschäftigen und wo Leute mit kämpfen. Das kriege ich schon mehr mit, aber es ist nicht so, dass Leute mich gezielt drauf ansprechen. Ich könnte mir aber vorstellen, dass das jetzt einfach sich ändern wird und dass Leute viel mehr vielleicht auch schreiben werden oder so.
Simea
Und bist du dafür parat?
Rebekka
Ich glaube nicht. Also doch, ich bin so bereit, wie ich sein kann. Ich glaube, vieles kann man sich vorher gar nicht ausmalen oder vorstellen. Ich freue mich drauf. Ich glaube schon, dass es ein Privileg auch ist, dass wir zu so einem Thema überhaupt die Chance bekommen haben, auch ein Buch zu schreiben und eine Plattform zu bekommen, unsere Stimme zu erheben. Und dessen bin ich mir total bewusst.
Simea
Absolut.
Rebekka
Mir ist es ja auch ein Herzensanliegen. Aber was da letztendlich daraus wird, davon habe ich keine Ahnung. Und vielleicht ist es auch ganz gut. Also hätte mir vor zwei Jahren jemand gesagt, du wirst in einem Podcast drüber reden und du wirst ein Buch schreiben, hätte ich gesagt, du machst Witze. Von daher denke ich so, es reicht vielleicht, wenn ich es mitkriege, wenn es soweit ist.
Simea
Genau. Jetzt ist unsere Reihe von der ganzen Serie heisst ja Stolpersteine. Würdest du jetzt sagen, ja, ich finde, Esstörungen sind ein Stolperstein? Wenn ja, warum?
Rebekka
Ja, würde ich schon sagen, weil Essstörungen dich auf jeden Fall stolpern lassen. Es ist wie so ein ständiges Struggeln, Straucheln, Hinfallen, Wieder Aufstehen, vielleicht auch mal stehen bleiben und es ist immer wieder ein Kampf, sich zu entscheiden, weiterzugehen.
Rebekka
Deswegen würde ich schon sagen, es passt.
Simea
Gut, sonst müssen wir jetzt ja aufhören.
Rebekka
Ja genau. Nein, tschüss!
Simea
Genau. In eurem Podcast, wo du das eben thematisiert hast, hast du gesagt, das ist gut, wenn man Fragen stellt. Und wir haben jetzt abgesprochen, dass es okay ist, wenn ich dir jetzt mal ein paar Fragen stelle, die man sich vielleicht manchmal einfach nicht traut, zu fragen, weil man nicht weiß, ob man es darf oder nicht darf. Also herzlichen Dank, dass du das machst. Das Erste, was ich dich fragen würde, ist, also ich und viele andere, die haben ja ihr Leben lang Diäten gemacht.
Rebekka
Mhm.
Simea
Die Veronika Smoor hat in ihrem Buch über den Körper (Problemzone Frau), da hat sie es mal so schön geschrieben: am Ende hat sie mehr gewogen als jemals zuvor, obwohl sie ihr Leben lang die jeden gemacht hat. Und eben, ich habe, ich erlebte es in meinem Umfeld sehr, sehr viel. Jetzt ist die Frage, ab wann spricht man von einer Essstörung? Ab wann ist es krankhaft?
Rebekka
Ich weiß nicht, ob sich das so pauschal sagen lässt. Also zum einen, es gibt ja super viele verschiedene Formen von Essstörungen. Die bekanntesten oder die, die am meisten irgendwie geläufig sind, sind so Magersucht, Bulimie und Binge Eating, wenn man quasi Essanfälle hat. Aber auch die haben zum Beispiel jeweils Unterformen. Also Bulimie zum Beispiel muss nicht heißen, dass du erbrichst, sondern es kann sein, dass du andere Wege findest, um - ich sag mal, Maßnahmen zu ergreifen - um nach dem Essen Gewicht zu verlieren. So, das hat so ganz viele Nuancen. Oder jemand treibt übertrieben viel Sport. Es gibt Mischformen. Ich kenne dieses Diätenphänomen und das ist ja ganz oft so, dass Studien auch sagen, in 95 Prozent der Fälle wiegst du fünf Jahre nach deiner Diät entweder genauso viel wie vorher oder meistens mehr. Das ist ja irgendwie auch eine krasse Zahl. Und es gibt immer mehr Expertinnen, die aufgrund von wissenschaftlichen Erkenntnissen und Studien ganz klar sagen, dass es zum Beispiel zu essgestörtem Verhalten zählt, wenn du nur bestimmte Nahrungsgruppen isst, also so Clean Eating gibt es. Oder wenn du Kalorien zählst, wenn du fastest. Ich meine jetzt nicht das geistliche Fasten, sondern wenn du sagst, ich mache regelmäßig Fasten-Tage, weil der Körper hungert so. Und jetzt hat jede Ernährungsform und jede Diät natürlich ihre Argumente und kann dir sagen, warum das gerade gesundheitlich total toll für den Körper ist und für den Stoffwechsel und warum dir das was bringen wird. Und am Ende können all diese Sachen Zeichen für essgestörtes Verhalten sein. Damit sage ich nicht, dass eine Essstörung vorliegt, weil, also erstens kann ich keine Diagnose stellen.
Simea
Ja.
Rebekka
Und ich glaube, es ist super unterschiedlich. Manche Menschen, ich hab ne Freundin, die sagt, ey, ich überleg mir bei jeder Mahlzeit, was ich esse und ob ich das esse und fühl mich oft schuldig oder hab das Gefühl, ich muss mit viel Sport dagegen sozusagen arbeiten, dass ich zunehme. Das hat für mich nichts mit Freiheit zu tun, wenn du dir bei jedem Essen überlegen musst, ob du das Essen willst, darfst, kannst, sollst.
Hat sie eine Essstörung? Ich glaube nicht, ich weiß es nicht. Ich würde das jetzt nicht krass so definieren. Ich würde aber sagen, sobald du feststellst, dass du in irgendeiner Weise ein essgestörtes Verhalten hast oder merkst, du bist nicht frei, wäre es vielleicht gut hinzugucken. Ich finde wichtiger, als eine Diagnose zu stellen ist, zu sagen, dass Betroffene wissen.
Du musst nicht erst krank genug sein, um dir Hilfe zu holen. Wenn du merkst, dass du an irgendeiner Weise da kämpfst oder nicht frei bist oder... Irgendwie Dinge dich immer wieder, ich sag mal, klein halten, dann darfst du dir Hilfe holen. Ich glaube, und das ist ja auch in Veronikas Buch, ich hab's auch gelesen, so ein bisschen das, was da rauskommt, unsere Gesellschaft, wir stecken Dinge so heftig in Schubladen. Wir lernen als Kinder schon,
dass Dünnsein wertvoll und erstrebenswert ist, dass schlank und sportlich diszipliniert bedeutet. Wenn du übergewichtig bist, bist du automatisch das Gegenteil. Du bist undiszipliniert und faul. Dabei weißt du doch aufgrund eines Körperbildes null, darüber, welchen Sport jemand macht oder was er oder sie ist. Ich glaube, das ist so wichtig. Essstörungen haben keine Kleidergröße. Wie gibt es denn jeder Kleidergröße? Auch da ändern sich gerade ein paar Dinge, was Kriterien angeht.
Das ICD-11, dieser Diagnoseschlüssel für Krankheiten, wo wir auch auf unseren Krankschreibungen, wenn wir nicht selbstständig sind beim Arzt, Schlüssel kriegen, was wir für eine Krankheit haben. Das nimmt gerade noch mal andere Kriterien auf, um auch Sachen zu berücksichtigen, die bisher bei Essstörungen noch nicht so mit reingenommen worden sind. Und ich glaube, wir sind uns oft nicht bewusst, wie ungesund wir wirklich denken und reden. Also, dass wir alleine davon reden, wir haben gesündigt, weil wir Schokolade gegessen haben. Oder ich habe versagt, weil ich noch, weiß ich nicht, was gegessen habe, wo ich so denke, Leute, also wirklich, wir sollten auf unsere Sprache aufpassen. Wenn das unser Problem ist, dann weiß ich auch nicht. Von daher, ich würde sagen, man kann es nicht pauschal sagen. Es ist eher so, dass ich sagen würde, manche Sachen zählen für mich schon zu essgestörtem Verhalten, sind aber nicht automatisch eine Essstörung.
Simea
Ja, aber das ist super, dass du das sagst, man muss ja auch gar nicht das erste Mal so weit kommen lassen, sondern wenn man merkt, dass man in der Unfreiheit ist, ist es vielleicht schon gut, dass man sich mal Hilfe kommt, damit man eben vielleicht auch gar nicht zu diesem Punkt kommt. Also das finde ich super, super Hinweis. Also grundsätzlich eigentlich, egal jetzt ob Essstörung oder andere irgendwie selbst verletzenden Verhaltensweisen, Licht ist der Schlüssel ein Stück weit, oder?
Rebekka
Mhm. So wahr.
Simea
Das finde ich auch das Schöne, also das, das aus der Scham rauszuholen und zu sagen, man kann darüber sprechen. Es gibt einfach Menschen, die sind dafür da, auch dass man darüber spricht. Und eben, wie du es auch gesagt hast, manchmal reicht auch eine Person, die man einfach kennt, der man einfach das mal erzählt. Und zwar dann nicht in diesem, das ist ja auch wieder so ein Frauending.
Rebekka
Ich glaube... Ja.
Simea
Ich sag, ich bin jetzt wieder mit mir unzufrieden und dann sagen die anderen alle nur, ja ich auch, ja ich auch, ja ich auch, sondern zu sagen, hey Leute, ich hab das Gefühl, bei mir ist es nicht mehr in einem guten und in einem gesunden Maß. Ich sag euch jetzt mal, was ich an mir beobachte, gebt mir mal Feedback, macht ihr das auch? Ist das normal oder ist das schon so, dass ich einfach mal darüber nachdenken muss? Also, weil da ist ganz oft, finde ich dann auch so, es wird bagatellisiert ein bisschen. So, ja, wir sitzen alle im gleichen Boot.
Weißt du, wie ich mein?
Rebekka
Ja, und es gibt ja auch ganz viele Menschen, die bei sich selber erleben, sie haben irgendwie so dieses, sie erleben das Phänomen emotionales Essen und sagen, ich esse immer bei Stress, ich esse immer, wenn ich traurig bin oder einsam bin, wo ich denke, auch das ist keine definierte Essstörung an sich, aber es ist natürlich auch das irgendwie ein Verhalten, wo du dich fragen kannst, was ist die Wurzel und was steckt dahinter. Und ich würde sagen, es hat alles seine Gründe und die dürfen wir uns, egal mit welchem Thema im Leben wir angucken, um in Freiheit zu kommen.
Simea
Ja.
Simea
Ja, genau. Okay. Die nächste Frage wäre jetzt, du hast vorher ein bisschen beschrieben, was für ein Mensch du bist. Würdest du denn sagen, es gibt einfach Menschen, die sind sehr, also viel gefährdeter, in solche Essstörungen reinzurutschen oder ist es völlig unabhängig von der Persönlichkeit?
Rebekka
Ich glaube grundsätzlich gibt es nicht den Typ. Es gibt auf jeden Fall Faktoren, die begünstigen, dass jemand eine Essstörung entwickelt. Das können Dinge sein, die wir erleben, Prägungen, das wie wir unser Elternhaus oder unser engstes Umfeld erleben. Trauma begünstigt das, gesellschaftliche Faktoren, auch Genetik. Also Essstörungen können einfach auch genetisch irgendwie, sag mal, bedingt sein oder veranlagt sein.
Also es gibt spezifische Punkte und es gibt Studien, die sagen, Menschen zum Beispiel mit Bulimie ben das, das, das und das häufig erlebt oder so und dann kann es sein, dass du dich darin schon stark wiederfindest. Das heißt aber im Umkehrschluss nicht, wenn dir das alles passiert ist, dass du automatisch eine Essstörung entwickelst oder jemand sagen würde, ah ja klar, so wie du bist, naja, ist ja klar, dass du eine Essstörung hast. Das glaube ich nicht.
Simea
Mhm. Mhm. Okay.
Wenn man jetzt das Gefühl hat, jemand in dem Umfeld hat eine Essstörung, ist es dann was, was man ansprechen sollte, so wie du das ja als was Positives erlebt hast? Oder ist es auch, also wie muss man da vorgehen? Ich stelle es mir schon noch schwierig vor.
Rebekka
Ich würde sagen, es kommt drauf an, wie du zu der Person stehst. Grundsätzlich würde ich sagen, man darf es schon ansprechen. Ich sag das jetzt einfach so. Alle anderen Betroffenen, die es anders sehen, dürfen sich bei mir beschweren. Aber grundsätzlich würde ich sagen, es kommt drauf an, wie man es anspricht. Und ob ich jemand bin, der der Person entweder nahe steht und wir eine Verbundenheit oder eine Beziehung haben, die mich berechtigt, in das Leben zu sprechen.
Und ich glaube, es kommt sehr oft das Wie an, also was ist meine Intention? Versuche ich mich über jemanden zu erheben und zu sagen, ja du kriegst das irgendwie eh nicht hin oder ist meine Intention liebevoll zu sagen: Hey ich mach mir Sorgen! Und ich finde, wenn klar wird, dass du es aus Liebe und aus Sorge machst, dann kann das auf jeden Fall helfen. Weil vielleicht jemand ja auch wirklich auf diesen Moment wartet oder sich erhofft, dass jemand mal nachfragt, damit man diese riesige Hürde drüber reden nicht alleine überwinden muss.
Und deine Freundin oder dein Freund, es sind ja auch über 10% Männer, die betroffen sind, das ist halt auch nochmal ein riesiges Tabu, die können immer noch selber entscheiden, ob sie da was zu sagen. Wir haben das in dem Buch so gemacht, es gibt einen Text von jemandem, der seit über 20 Jahren haupt- und ehrenamtlich Betroffene auch begleitet und mit den Familien usw. in Kontakt ist und der so ein bisschen do's and don'ts aufgeschrieben hat. Was kann helfen? Wo sind deine Grenzen? Wo ist deine Verantwortung vielleicht was zu sagen, wenn es auch gefährlich wird? Also wenn zum Beispiel Untergewicht so deutlich wird, das anzusprechen. Wo hast du auch eine Verantwortung, gerade wenn es noch jemand ist, der minderjährig ist und du bist vielleicht gar nicht unbedingt Freundin nur, sondern auch Jugendleiterin oder genau, genau. Klar gibt es Leute, die du darauf ansprichst und die das abstreiten und sauer sind.
A la: Wie kannst du so was sagen? Trotzdem würde ich das Risiko eingehen. Die Verantwortung, wie jemand damit umgeht, liegt dann immer noch bei deinem Gegenüber. Aber ich glaube, grundsätzlich so einen Schritt zu gehen und zu sagen, ich mache mir Sorgen und du bist mir wichtig und es ist alles in Ordnung. Ich weiß nicht genau, was bei dir los ist. Und damit eine Möglichkeit zu schaffen, dass zu dem Zeitpunkt oder später jemand drüber redet, ist doch klar.
Ich würd's riskieren, glaub ich.
Simea
Ja. Okay. Ist denn eine Essstörung jemals vorbei? Gibt es so trockene Essgestörte oder gibt es einen Begriff?
Rebekka
Das ist eine sehr gute Frage. Ich habe mal von einer Frau gehört, die hat sich als trockene Bulimikerin bezeichnet. Das fand ich spannend, weil es gibt diesen offiziellen Begriff nicht. Aber ich dachte, das beschreibt es ganz gut. Ich glaube, es gibt so unterschiedliche Dinge. Es gibt Leute, die erleben Heilung und merken, sie sind da komplett frei. Und dann gibt es Leute, da würde ich eher das vielleicht nochmal anders beschreiben. Wir haben ja im Deutschen genug Wörter für alles.
Ich würde dann sagen, es ist so ein Genesungsprozess. Du gehst Schritte, du wirst freier, du wirst heiler. Und mit der Zeit merkst du vielleicht, du bist genesen, weißt aber, es kann dich immer zu Fall bringen. Und das ist vielleicht ein bisschen wie bei anderen Suchtkranken. Die merken, sie müssen, das ist der Unterschied. Sie können dann für immer vielleicht den Alkohol meiden. Das kannst du mit Essen halt nicht. Das brauchst du, um zu leben. So, aber zu wissen, du kannst symptomfrei sein und du kannst auch frei sein. Aber es kann immer noch sein, dass das dein Angriffspunkt ist, weil alte Überlebensmuster getriggert werden, weil du merkst, du fällst an der Stelle nochmal in alte Muster. Und trotzdem gibt es ja Leute, die auch komplett Heilung erleben. Deswegen, ich glaube: Es kann vorbei sein. Ich glaube, dass nicht jeder das erlebt.
Simea
Ja, da würde ich auch gerne noch eine Folgefrage dazu anbringen, weil das hat mich auch irgendwie beschäftigt. Es gibt halt dann Leute, die eben erzählen von dieser Heilung. Du hast gesagt, die Ilka, die mit dir das Buch geschrieben hat, die hat das auch erlebt und andere erleben das jetzt nicht. Wie geht es dir dann mit so Geschichten?
Rebekka
Das ist eine sehr gute Frage. Ich würde sagen, es ist so zweischneidig. Zum einen bin ich super dankbar, dass es solche Geschichten gibt, weil ich ganz lange gekämpft habe und immer so gedacht habe, es muss doch mal irgendwann jemand kommen und sagen, ich bin gesund. Es muss doch irgendwann mal jemanden geben, der sagt, ich habe es geschafft, weil wofür kämpfen wir sonst? So, wofür? Wohin läuft dieser Weg, wenn keiner sagen kann, ich bin angekommen? Und als ich das erste Mal von einer Freundin gehört habe, die erzählt hat, dass sie nach 20 Jahren geheilt wurde, habe ich mich so gefreut, weil ich dachte, endlich, da ist die Geschichte so. Und bei Ilkas Geschichte ist es ähnlich, da habe ich wieder gedacht, okay, sehr gut, Heilung ist möglich. Aber, also bei Ilka war es so, sie hat wirklich auch eine heftige Geschichte, sie hat das an unterschiedlichen Stellen schon erzählt, man kann das bei YouTube auch gucken, sie war bei ERF Mensch Gott zu Gast, erzählt ihre Geschichte natürlich auch im Buch. Und wir haben oft darüber geredet in den letzten Monaten, weil wir uns an der Stelle natürlich auch dessen bewusst sind, dass wir irgendwie eine Ergänzung sind zueinander. Sie hat heftige Jahre in der Magersucht und dann in der Bulimie erlebt und war auf der Intensivstation, hat erlebt, wie ihre Organe anfangen zu versagen, war danach jahrelang heftig in der Bulimie irgendwie gefangen, hat gemerkt, sie hat keine Kontrolle und hat an einem Tag in der Bahn gesessen und hat so innerlich gesagt, Jesus, ey, du musst mir helfen. Und ab dann war sie symptomfrei. Und auf der einen Seite freue ich mich total für sie. Und auf der anderen Seite ist es ganz klar so, dass es Momente gibt, in denen mich das richtig sauer macht, weil ich so denke, ey, Jesus, das ist dein Ernst. Also ich habe ihre Geschichte zum ersten Mal gelesen für das Buch. Und das war nochmal anders als im Gespräch, das irgendwie zu hören. Und ich habe das gelesen und habe so gedacht, hey, warte mal, habe ich mich vertan? Habe ich nur gedacht, ich habe gebetet dafür und habe...das gar nicht am End?
Also das hat mich verwirrt, weil ich so dachte, warte kurz, sie hat innerlich einen Satz gesprochen. Was habe ich falsch gemacht? So, wo bin ich falsch abgebogen? Und das sind schon Momente, in denen ich denke, Jesus, ey, was machst du eigentlich? Und siehst du mich? Und ist es dein Ernst? Und von daher ist es manchmal eine heftige Spannung, wo ich mich mit freue und dankbar bin für sie, für all das, was sie erleben kann. Auch, dass sie
einen Sohn bekommen konnte. Es ist überhaupt nicht selbstverständlich, wenn du so eine heftige Vorgeschichte hast mit einer Essstörung. Und auf der anderen Seite spüre ich in dieser Spannung immer wieder so diese Sehnsucht selber mehr Heilung zu erleben und dazwischen ist auch immer wieder dieses Ringen mit Gott zu sagen, ey, dein Ernst, so ich verstehe es nicht. So und ich glaube, das macht es zu so einer heftigen Spannung darin und trotzdem bin ich total dankbar für diese Geschichten. Ich glaube, das braucht es, damit wir ermutigt sind und wissen, ist das möglich. So, würde ich nie hören, dass das möglich ist. Ich würde vielleicht irgendwann denken, so ja, wofür mache ich das, wenn so das ist nicht, ich bin nicht wie Pippi Langstrumpf, die sagt, ich habe das noch nie gemacht. Ich bin völlig sicher, dass ich das schaffen kann. So, sondern würde irgendwann da sitzen und sagen, wofür? Und ich glaube, das ist das, was dieses Buch auch so besonders macht. Wie oft hören wir?
Also auf Konferenzen oder im Gottesdienst oder in irgendwelchen Events. Wie oft hören wir Zeugnisse und Geschichten von Leuten, aber das ist immer aus diesem Punkt von ich bin fertig, da und da war ich, das ist meine Geschichte, aber Gott hat mich geheilt. Und ich weiß aus meinem Leben und aus dem von anderen Betroffenen, die mir sagen, ja das ist toll, aber ey, was ist mit mir, was mache ich jetzt damit, was heißt das, wie kann ich damit umgehen. Es gibt dir null Tipps an die Hand. Die Leute wissen nicht, wie du frei werden kannst. Ich habe auch keine Lösung. Und trotzdem, glaube ich, braucht es beides. Es braucht die Leute, die Hoffnung irgendwie weitergehen können und sagen können, ey, ich hab's erlebt, das ist mein Zeugnis. Und es braucht Leute, die in dazwischen stehen und sagen, das ist meine Geschichte, das ist mein Weg und vielleicht falle ich manchmal, aber so und so stehe ich wieder auf und ich lade dich ein, das aufzumachen. Das gilt ja genauso dafür, Leute einzuladen, Dinge ans Licht zu bringen und...überhaupt drüber zu reden.
Simea
Ja, genau. Ja, auch noch ein bisschen zusammenhängende Frage damit ist, ich habe auch schon gehört an Gottesdiensten, dass über so eine Essstörung als Sünde geredet wurde und ich fand es irgendwie sehr heikel, wie geht es dir damit, wenn dann so aufgerufen wird, lass die Sünde der Essstörung hinter dir oder so, was denkst du?
Rebekka
Mir ist das zum Glück in einem Gottesdienst noch nicht passiert. Ich weiß, in meiner Gemeinde würde mir das nicht passieren. Ich bin, bin ich auch sehr dankbar für, ich bin keine... Das habe ich nicht gesagt. Ich würde, also ich bin keine Theologin, ich kann das nicht theologisch beantworten. Würde ich das hören? Ja, ich würde wahrscheinlich aufstehen und gehen, weil ich das auch heikel finde. Oder ich würde, wenn ich das schaffe, das konfrontieren.
Simea
Also der Tipp ist Gemeinde wechseln, wenn das geht. (lacht)
Rebekka
Ich kann diese ganzen Bibelstellen, die Leute dir um die Ohren hauen, um das zu untermauern, warum sie das denken. Und ich weiß, es gibt genauso Bibelstellen, mit denen du dagegen argumentieren kannst. Das ist gar nicht mein Punkt. Meine persönliche Meinung ist: Essstörungen sind eine psychische Erkrankung. Das suchst du dir nicht aus. Das ist kein Spaß. Das ist nicht so, dass jemand sagt, ich hab Bock drauf. Ich hab auch mal gehört, dass jemand gesagt hat, wann hast du gemerkt oder wann hast du dich dazu entschieden mit der Essstörung zu spielen? Hab ich gedacht, Leute, ich weiß gar nicht, was ich dazu sagen soll. Es ist kein Spiel. Es ist kein Spaß. Und ich glaube schon, diese Besonderheit dabei ist, es ist eine psychische Erkrankung und gleichzeitig ist es in den meisten Fällen auch eine Sucht oder hat Suchtcharakter. Und das ist nochmal ein Kampf, der auf einem ganz anderen Level irgendwie stattfindet, weil da irgendwann dein Wille, auch nicht mehr wenn Suchtdruck da ist, so viel zählt oder dein Verstand vielleicht auch ein bisschen außer Kraft gesetzt wird. Ich glaube, dass wenn wir
in Gemeinden so über die Kämpfe reden, in denen wir sind. Und das gilt ja für ganz viele Sachen. Es gibt ja auch Leute, die sagen, du bist depressiv, weil du nicht genug gebetet hast, du willst gar nicht genug. Wo ich so denke, wir richten damit viel Schaden an, wenn wir Leute auf so eine religiöse und gesetzliche Art mit diesen Themen konfrontieren. Und wenn wir darüber so denken, dann würden wir Menschen, die schon sehr viel leiden, noch sehr viel mehr Last auf, die ich an der Stelle für sehr schädlich halte. Und deswegen glaube ich, ist es so wichtig, dass wir anfangen mehr über diese Themen zu reden, die aus dem Tabu zu holen und auch aufzuklären und zu sensibilisieren. Und zu sagen, was ist es denn eigentlich wirklich? Was steckt denn dahinter? Ist es einfach nur ein Mode-Ding, weil jemand gerade Bock hat, was Neues auszuprobieren? Ist es die Alternative zu einer Diät? Oder ist es eine ernsthafte Krankheit, an der nun mal einfach auch viele Menschen sterben?
Simea
Jetzt eine ganz hohe Sterblichkeit, gell? Also jetzt im Vergleich zu anderen psychischen Erkrankungen.
Rebekka
Ja, es hat mit die höchste Todesrate. Und in manchen... Also die Zahlen sind so, dass Deutschland neben Japan die höchste prozentuale Rate hat. Natürlich nicht zahlenmäßig, da sind die USA und so von, ne, im Verhältnis mit all den Menschen, die dort leben, viel höher. Aber auch da ist die Dunkelziffer natürlich viel höher, weil Menschen an Herzversagen sterben und du nicht unbedingt sagen kannst, dass das eine Langzeitfolge von Erbrechen oder Hungern ist oder so. Bei manchen ist es klar, die Dunkelziffer ist da höher, aber es gibt ganz klar Studien, die sagen, dass Menschen an den Folgen sterben und das ist nicht wenig.
Simea
Okay. Manche Leute sagen, dann fangen doch einfach wieder an, richtig zu essen. Geht das überhaupt?
Rebekka
Wenn dir das auf der Zunge liegt, würde ich sagen, lass es. Ich glaube nicht, dass es so einfach ist. Das ist so wie, isst halt weniger, macht mehr Sport oder so. Das sind so diese ganzen schlauen Sachen, wo ich sagen würde, wenn das so einfach wäre, dann wären Essstörungen nicht so ein krasses Problem. Also wenn es nur darum gehen würde, sich zu entscheiden und damit ist der Schalter umgelegt, ich glaube, dann hätten wir viel weniger Herausforderungen mit dem Thema.
Simea
Ja, ganz verbreitet ist ja auch so ein bisschen das Denken, dass es geht um Aufmerksamkeit, es geht gar nicht eigentlich um die Essstörung. Was sagst du zu diesem Gedanken?
Rebekka
Ich glaube, dass man sich das damit sehr einfach macht. Weil Erstörungen immer Wurzeln haben, die dahinter liegen und das immer tief geht. Und klar hat das auch mit Bedürfnissen zu tun oder mit Wünschen, die dahinter liegen, aber zu sagen, du willst doch nur Aufmerksamkeit oder so. Ich glaube, damit verharmlosen wir das krass und machen uns das zu einfach. Also wenn Eltern so reagieren würden, wenn das Kind klar auffällig ist, sag ich mal, indem es heftig viel abgenommen hat oder indem es ganz viel schnell zunimmt oder schon irgendwie klar wird, das Essen bleibt nicht im Körper, dann ist das ein heftiges Warnsignal. Und dann einfach zu sagen, wir beachten das nicht, das ist nur ein Schrei nach Aufmerksamkeit. Also ja, wie heftig muss der Schrei sein, wenn dein Kind sich nicht anders zu helfen weiß, als seine innere Not darüber sozusagen auszutragen, ne? Von daher: Das ist ein Satz, mit dem wir das krass verharmlosen.
Simea
Ich habe halt, also früher in Jugendarbeit habe ich das oft so erlebt, dass die, die halt da so voll drüber geredet haben, dass die gar nicht unbedingt das hatten und dass es oft dann in der Gruppe aber welche gab, die es hatten, wo es dann später rauskam oder sowas und bei denen hast du es halt nicht gemerkt oder nicht gesehen. Ist es dann sowas, wo man sagen kann, da ist vielleicht noch eine Hilfe, weißt du, wie die Person damit umgeht oder kann es auch einfach nur ein super cooler, gesunder supercooler, gesunder Umgang sein. Ich glaube, da schwimmen doch die Leute sehr, oder?
Rebekka
Ich glaube, das kannst du auch nicht so pauschal sagen. Man sagt ja, es gibt ja genauso die Leute, die sagen, Selbstverletzung ist ein Schrei nach Aufmerksamkeit oder so, ohne dass du dafür jetzt Worte brauchst. Ich hab das auch mal erlebt. Mir hat auch, ich hab in einem Abend in einer Jugendgruppe meine Geschichte erzählt und dann kam einer auf mich zu und als ich sie Monate später wieder gesehen hab, hab ich sie gefragt, wie es ihr damit geht und hat sie gesagt, ja, ich hatte das gar nicht, ich wollte nur Aufmerksamkeit.
Simea
Ja.
Rebekka
Wo ich denke, das ist aber ganz schön abgebrüht. Also das auch hinterher so zuzugeben, ne? Hab ich gedacht, war auch spannend, die Begegnung.
Rebekka
Ich glaube, es gibt solche und solche. Und klar ist es oft scham belastet oder es ist eine riesen Hürde, darüber zu reden. Für mich ist es heute noch herausfordernd und es ist immer noch eine Entscheidung. Und wenn es die Leute gibt, denen es leichter fällt, darüber zu reden, würde ich denen das nicht automatisch absprechen. Es gibt ja genauso Leute, die sagen, solange Menschen darüber reden, sich das Leben nehmen zu wollen, machen sie es nicht.
Aber in dem einen Fall, wo es dann doch passiert, wirst du deines Lebens auch nicht mehr froh. Ich würde sagen, immer ernst nehmen und gucken, was steckt dahinter.
Simea
Also ich glaube, was ich jetzt aus den ganzen Fragen, wo ich sie mir jetzt nochmal so dir gestellt habe, also es ist sehr einfach, sie so ein bisschen zu sammeln, aber was ich gedacht habe, ist, glaube ich, was man schon sagen kann, ist einfach vielleicht sehr rücks, also sehr vorsichtig damit zu sein, wie man einfach Dinge beurteilt und lieber mehr fragen, oder? Also weil das sind alles jetzt so Sachen, die wir jetzt gerade gesagt haben, die man so denken oder sagen kann oder so was. Da geht es sehr stark in dieses, du kannst wie so, ah,
von mir weg. Genau, ja, genau. Und so, genau, Schublade und dann fertig und dann habe ich damit kein Problem mehr. Da muss ich mich nicht wirklich damit auseinandersetzen. Und ich glaube, die wirklich hilfreiche Variante wäre eben zu sagen, hey, ich höre zu, ich stelle Fragen, ich lasse auf mich wirken, ich lasse der Person auch ihre Individualität, ja, dass nicht es so bei jedem ist. Ja.
Also, dass das ist mir irgendwie so gekommen, wo ich da drüber nachgedacht hab über solche Sätze und solche Dinge, die ich schon gehört hab.
Rebekka
Ja, frei.
Simea
Würdest du denn sagen, man schafft den Weg raus nur mit Therapie?
Rebekka
Das weiß ich nicht. Also...
Simea
Oder kennst du Leute, die es auch anders geschafft haben?
Rebekka
Also das sind dann die Leute, die spontan geheilt worden sind. Das ist nochmal eine andere Ebene. Nee, nee, das darf ich nicht. Also ich glaube, es gibt Leute, bei denen zum Beispiel Therapieansätze auch erst mal, also mehr geschadet haben, weil es Konzepte gibt, die so veraltet sind, gerade in so Kliniken für Essstörungen, dass die nicht hilfreich sind. Ich glaube aber, in vielen Fällen geht es nicht ohne Therapie. Ich würde nicht sagen, es geht gar nicht.
Dann braucht es viel eigene Ressourcen und viel Kraft. Und warum sollte man... Also ich weiß manchmal nicht, ob es das wert ist. Ich glaube, du brauchst viel. Du kannst ja auch heutzutage mit Büchern und Podcasts und Programmen arbeiten. Das mache ich auch, aber weil ich schon viel in Therapie gelernt habe und so eine Basis habe. Und ich glaube, es ist schon total wertvoll, wenn du jemanden findest, wo du in einem professionellen Rahmen auch erlebst, das bringt Entlastung. Also einfach weil derjenige in diesem professionellen Rahmen Dinge ganz anders tragen kann, die du nicht alleine tragen kannst. Und die, wo Dinge Raum bekommen, die auch deine Familie und deine Freunde und dein Partner das nicht mittragen können. Und Essstörungen sind ja auch nicht ein Ding, was nur jugendliche oder junge Menschen betrifft, die dann vielleicht mal kurz in Therapie könnten und dann haben sie es ja relativ schnell geschafft, weil sie stehen noch am Anfang. Sondern das betrifft ganz, ganz viele Menschen, die in der Mitte des Lebens stehen, die 60 sind, die Jahrzehnte hinter sich haben und sagen, ey, ich komme da eh nicht mehr raus. Wo ich sagen würde, ich würde Leuten eher Mut machen zu sagen, du hast nichts zu verlieren, wenn du dir Hilfe holst. So, das könnte richtig gut werden. Ich glaube, es geht auch ohne Therapie. Ich weiß nur nicht, ob man sich das selber sozusagen schwerer machen muss, als es sowieso schon ist. Was ich aber glaube, und das spart jetzt natürlich im Geistlichen auch wieder aus, dass es sei denn, du wirst spontan geheilt, ich glaube, es geht nicht ohne darüber zu reden. Ich glaube, wir müssen dieses Ding, du hast es am Anfang gesagt, wir müssen das ans Licht bringen, damit Sachen Raum verlieren, Macht verlieren, Scham verlieren.
Ich glaube, wir müssen Dinge ans Licht bringen, damit sie selber Licht werden können, so wie es in der Bibel schon steht. Und wir sind nicht zu Einzelkämpfern geschaffen. Und ich glaube, es geht nur so, dass wir Menschen oder das würde ich zumindest jedem Betroffenen wünschen, dass er ein Netzwerk hat, klein oder groß, mit Menschen, die Sachen mittragen, die Sachen mit auffangen, die vielleicht auch Sachen spiegeln können. Weil auch das ist ja so, wenn du in der Essstörung jahrelang drin bist und du hast
Deine Muster, die total eingefahren sind, deine Lügengedanken, die du ja für wahrnimmst, oder du hast eine verzerrte Körperwahrnehmung. Du brauchst Leute von außen, die dir das auch spiegeln können. Weil woher sollst du sonst wissen, was Sache ist, ne? Ich hab das vor einem Jahr ungefähr erlebt. Ich hab mit einem Freund darüber geredet, was in meinem Kopf gerade passiert. Und erst als er gesagt hat, wie viel Selbstverdammnis und Selbstanklage da drin ist, hab ich gedacht, ach so, das ist das, aha. Bis zu dem Zeitpunkt hab ich nicht gecheckt, was da in mir passiert. Und ich meine, wie viele Jahre geht das so? Und deswegen glaube ich, ist es immer... Wäre das mein erster Schritt zu sagen, du musst nicht... Dein erster Schritt kann Therapie sein, um jemanden zu haben, der Abstand hat, der dich persönlich in deinem Umfeld nicht kennt, wenn es dir zu unangenehm ist, darüber zu reden. Aber es kann auch sein, dass du mit jemandem redest, dem du vertraust und wo du dich sicher fühlst. Und damit erste Schritte gehst. Das muss auch nicht immer der klassische Therapeut sein. Es kann ja auch ein Seelsorger sein oder wie auch immer.
Simea
Okay. Wie ging es dir denn mit Gott in diesem Bereich?
Rebekka
Ich würde sagen, das verläuft in Wellenbewegungen. So, also er ist und bleibt meine Basis. Und grundsätzlich würde ich sagen, gerade in den letzten Jahren, dass ich immer wieder an ihm dran bleibe und zu Jesus gehe, weil ich weiß, ohne ihn habe ich keine Chance. So, und ich würde sagen, mit Jesus ist es nicht unbedingt viel einfacher. Oder ist es nicht einfach, aber ich glaube, ohne ihn hätte ich richtig verloren. Und ich versuche viel, wenn ich merke, dass ich innerlich kämpfe, meine Seele an Wahrheiten zu erinnern durch Lobreiß oder mich daran zu erinnern, was ich eigentlich glaube oder Dinge auszusingen und zu beten, dass sie Realität werden, auch wenn ich das noch nicht sehe. Aber, und das erlebe ich in den letzten ein, zwei Jahren auch immer wieder, es ist auch immer wieder ein Ringen.
Das ist wie so Wellenbewegung. Mal habe ich Worte und kann mutig beten und weiß, was Gott alles schon getan hat, auch in meinem Leben und weiß, dass er noch nicht fertig ist und bin irgendwie mutig in dem, was ich auch bete. Und manchmal ringe ich mit all den Zweifeln und all dem, was ich noch nicht sehe und habe das Gefühl, dass diese Kämpfe so viel stärker sind oder sich so viel stärker anfühlen als Gott und mein Glaube. Und in den Momenten bin ich dankbar für Menschen in meinem Leben, die meine Arme hochhalten, wenn ich nicht mehr kann und die für mich beten, wenn ich keine Worte habe, weil auch das manchmal Realität ist und ich nicht immer gleich stark oder gleich viel glaube oder auch glauben kann, dass ich gesund werde und dass Gott in all dem größer ist. Also ist es mal so, mal so. Mal bin ich ermutigt und mal ist es ein sehr herausfordernder Kampf.
Simea
Gibt es denn Phasen, das fände ich auch noch eine spannende Frage, gibt es Phasen, wo du gar nicht darüber nachdenkst oder ist es immer irgendwie latent da, das Thema?
Rebekka
Es gab in diesem Buchprozess, wir haben angefangen im Sommer letzten Jahres so das Konzept zu schreiben, hatten das Go vom Verlag, haben angefangen Menschen anzufragen, die ihre Geschichte erzählen und im September gab es plötzlich so ein, das war ein bisschen witzig, also es fing nicht so witzig an. Ich hatte einen Rückfall und habe danach so die ersten Tage sind immer so ein bisschen wackelig und ich habe noch jemandem eine Nachricht geschickt und hab gesagt, ich weiß nicht, wie ich das schaffen soll. Und hab in diesem ganzen Buchprozess auch gedacht, vielleicht ist es meine Aufgabe, mit dem, was ich mache und mit meiner Geschichte, Menschen zu helfen, in Freiheit zu kommen, aber vielleicht ist es für mich überhaupt nicht vorgesehen. Also vielleicht werde ich das nie erleben, aber andere Menschen so, ne? Und ich hab gedacht, ich hab mich gefragt, ob das jetzt die Motivation ist, mit der ich dieses Buch schreibe oder wie sich das wohl verhält.
Und ein paar Tage später habe ich gedacht, warte mal, irgendwas ist anders. Und ich habe gemerkt, der Brechdruck war nicht mehr da. So und ich war in dem ersten Moment so, ich weiß nicht, was los ist. Keiner bewegt sich, keiner fasst was an, keiner atmet. Ich will nicht, dass es sich ändert, weil ich so verwirrt war über das, was passiert. So, ne? Und dann ging das so ein paar Tage weiter. Ich hatte Dinge, die mich herausgefordert haben, die mich krass gestresst haben, wo ich normalerweise wusste, dass ein typischer Trigger. Und ich saß da und habe so ein bisschen gewartet wie: kommt jetzt noch was oder also hä? Und hab gedacht, okay, wir warten einfach. So, es ging, verging eine Woche, es verging ein bisschen mehr. Ich hab überlegt, ob ich da mal mit jemandem drüber rede von meinen Freunden und dachte so, nee, wenn ich das laut ausspreche, ich will es nicht kaputt machen oder was ist, wenn es am Abend schon wieder vorbei ist oder was ist, wenn, ich sag ja, ich denke sehr viel in meinem Kopf, was ist, wenn, keine Ahnung, die Erstführung ihren Einsatz verpasst hat und sagt, ach warte, Mist, ich hab's vergessen, ich bin hier, ich komm, ich komm. So, ne, und hab gedacht, auf gar keinen Fall will ich das riskieren. Und so nach drei Wochen hab ich gedacht, okay, also meine Freunde beten viel, die tragen das Schlechte mit, ich muss jetzt irgendwie mal erzählen, was hier gerade läuft. Und dann passierten lauter so Dinge, die ich nie vorher erlebt hab
Ich war einkaufen und wir haben Kaffee getrunken, ein Stück Kuchen gegessen und sind zurück zur Arbeit gefahren. Dann war ich nachmittags mit einer Freundin im Café und hab überlegt, was ich essen will und dachte so, boah, ich brauche was Herzhaftes, irgendwie wie so Mittagessen und danach dachte ich so, ach so, Nachtisch wäre auch gut. Dann hab ich ein Stück Kuchen gegessen und nachmittags oder abends fahre ich nach Hause und denke so, warte mal kurz. Hab ich heute zwei Stück Kuchen gegessen? Und da ist mir aufgefallen, ich hab gar nicht darüber nachgedacht.
Was hab ich heute schon gegessen? Was brauche ich noch? Also, was darf ich noch? Was ist noch okay? Was kann ich im Café essen? Was kann ich essen, während die Leute mich sehen? Auch das ist so immer wieder ein Thema. Was schaffe ich zu essen, wenn Leute das sozusagen mitkriegen? Und das war gar nicht relevant. Und als ich das checkte, war es aber auch nicht so, dass ich dachte, oh nein, du hast total versagt. Du hast dich gehen lassen. Du musst das rückgängig machen. Du musst zu Hause irgendwie noch gegensteuern.
Und ich dachte nur so, ist das wie normale Leute leben? Ernsthaft? Was habt ihr für ein heftiges Leben? Und das ging in diesen Wochen so weiter. Es war, ich habe meinen ersten Weihnachtsmarkt erlebt, auf dem ich nicht ein schlechtes Gewissen hatte, weil ich was gegessen habe, sondern ich habe so eine Bratwurst gegessen und dachte so, gut, die ist aber gut. Und dann war Punkt. So es hat mich nicht weiter gejuckt. Und das ging so ein halbes Jahr und ich habe krass viel Freiheit. Ich war auf Geburtstagsfeiern von Freundinnen und konnte mit Leuten essen. Und es war für mich okay. Ich bin nicht nach Hause gefahren, habe zwei Stunden noch mit mir gekämpft, was mache ich jetzt damit, ist das okay, komme ich damit klar, dass ich vor Leuten gegessen habe, so ne. Da war es nicht Thema, sondern da habe ich eher so gedacht, ach krass, schon wieder ein paar Tage rum, ohne dass es in irgendeiner Weise relevant war. Und je intensiver der Buchprozess wurde, je mehr das zu einem Ende kam, je tiefer das auch ging einfach über das, was wir geschrieben haben, desto mehr hat das in mir, glaube ich, gemacht und Dinge nochmal auch hochgebracht.
Und dann hat es sich irgendwann wieder verändert. So, das heißt, diese Phasen... Also, ist es möglich, diese Phasen zu haben? Oder habe ich das schon mal erlebt? Ja, erlebe ich das gerade? Nein. Aber es existiert und deswegen denke ich so... Es wird ja irgendwo noch sein. Irgendwo muss es ja wieder zurückkommen oder so, ne? Also, das ist zumindest das, woran ich festhalten will.
Ich kann immer nur aktuell sagen, wie die aktuelle Phase ist. Und ich glaube, im Moment gibt es keinen Tag, an dem das nicht Thema ist, weil ich um viele Dinge ringe und kämpfe und mich immer wieder entscheiden muss. Aber gab es auf jeden Fall. Und deswegen denke ich so, wenn es da ist, dann muss es ja irgendwann noch wieder kommen. Ich weiß nur noch nicht, wo ich es finde.
Simea
Okay. Ja, das ist gut, sehr anschaulich, vielen Dank. Du hast auch, du hast ja schon vorher gesagt, du schreibst, du hast dir ja schon vorher gesagt, du schreibst auch für die Joyce und ich habe in dem Artikel, das war in der Mai-Ausgabe, da hast du geschrieben, auch über so dieses Diskriminierung auch von übergewichtigen Menschen, da fände ich es ganz cool, das fand ich nämlich auch super, dass du das mal thematisiert hast. Wie können wir da sensibler werden noch in dem Thema, wie wir einfach aburteilen, schnell Menschen über das, wie sie aussehen oder wie viel sie wiegen?
Rebekka
Interessant ist, dass die Menschen, die sich zurückmelden auf den Artikel, erzählen, wie sie Body-Shaming selber erlebt haben. Und das ist sehr interessant. Wir würden halt denken, oder ich kenn's halt eben mit diesem ganzen Übergewicht, Mehrgewicht-Thema. Es haben sich Leute gemeldet, die gesagt haben, ey, ich erleb das immer. Leute haben mir gesagt, du bist zu dünn. Und so wie du aussiehst, du bist ja so ein Hungerhaken und an dir ist nichts dran. Und wie soll dich mal einer schön finden, wenn der nichts zum Anfassen hat? Die nächste wurde diskriminiert, weil sie zu groß ist. Und es war immer so ein Thema, wie groß sie ist und so weiter. Also ich glaube, es geht grundsätzlich einfach im Prinzip um die Bewertung oder Verurteilung von Körpern. Und ich glaube, dass wir uns und das gilt für alle, man predigt auch immer für sich selber, dass wir uns grundsätzlich, finde ich, reflektieren sollten, was wir zu anderen Menschen sagen. Und das gilt für alle Themen. Das erleben wir ja nicht nur in Bezug auf unsere Körper, sondern das erleben Paare, die ständig gefragt werden, wann ist es bei euch so weit, ohne dass Leute wissen, was vielleicht deren Thema ist, ob sie Kinder wollen oder nicht, ob es nicht klappt, ob sie ein Kind verloren haben, was auch immer.
Das erleben Singles, die ständig schlaue Tipps kriegen, die auch nicht unbedingt hilfreich sind. Und in allem, egal, ob wir das gut meinen, meistens haben die Leute ja gute Absichten. Oder sagen, hinterher meinte ich nicht so. Manche haben eine blöde Absicht, aber oft unterm Strich sind das Grenzüberschreitungen.